SYNΛGOGE ERMREUTH Ausstellung  und  Veranstaltungsort
Jüdische Gemeinde Ermreuth
Blick auf Ermreuth
Blick auf Ermreuth
Ehemaliges Wassermann-Haus
Letzte jüdische Schule
Ehemalige Mikwe
Ehemaliges Schwarzhaupt-Haus (vor der Restaurierung)
Synagoge Ermreuth, Wagnergasse 8, 91077 Ermreuth
© Alexander Nadler 2021-2024
Der größte zum Markt Neunkirchen am Brand gehörende Ortsteil Ermreuth war vom 12. bis Mitte des 19. Jahrhunderts ein Herrschaftssitz verschiedener Adelsfamilien, die dem Zusammenleben von Christen und Juden im Ort Sorge trugen. Die drei Sehenswürdigkeiten des Orts: Schloss, Kirche und Synagoge spiegeln auf besondere Weise diese Situation vor Ort wider. Vermutlich Ende des 15. Jahrhunderts kamen die ersten Juden in die Gegend von Ermreuth, weil sie aus den deutschen Reichsstädten, wie Nürnberg und Weißenburg, vertrieben wurden. Hier auf dem Land fanden sie Zuflucht. Nach Ende des 30jährigen Kriegs kaufte der Burggraf Valentin Georg von Künsberg im Jahr 1664 Ermreuth. Die offene Haltung des neuen Schlossherrn begünstigte die Zuwanderung von Juden und die Gründung einer jüdischen Gemeinde vor Ort. Erstes Mitglied war Abraham Juden, der 1664 eine Aufnahmegebühr von 20 Kreuzern in die Gemeindekasse zahlte.
Ende des 17. Jahrhunderts zählte die jüdische Gemeinschaft neun Familien und besaß damit die nötige Mindestzahl von zehn religiös mündigen Männern für die Feier von Gottesdiensten. 1711 errichtete die kleine Gemeinde einen eigenen Friedhof und 1738 baute sie ihre erste Synagoge. Ende des 18. Jahrhunderts lebten bereits 33 jüdische Familien im Ort. Als Schutzjuden besaßen sie allerdings noch nicht die gleichen Rechte wie die christlichen Einwohner. Erst das bayerische Judenedikt von 1813 machte die jüdische Bevölkerung Bayerns zu Staatsbürgern und verpflichtete sie zur Annahme von bürgerlichen Nachnamen. In der Matrikel von 1822 waren folgende Familiennamen verzeichnet: Bernhard, Braun, Dorn, Fleischmann, Forchheimer, Gönninger, Gutmann, Guttenberger, Helding, Herzfelder, Heumann, Hönlein, Holzinger, Lebegut, Meyer, Mirsberger, Munker, Reichold, Rödels, Rosenberger, Schnaittacher, Schönberger, Sulzbacher, Uhlfelder, Vogel, Wassermann, Wertheimer, Wimmelbacher und Zehlein. Später kamen Goldner, Heß, Österreicher, Schloß, Schwarzhaupt und Ullmann hinzu.
Trotz weiterer Einschränkungen wurde das 19. Jahrhundert die Blütezeit der jüdischen Gemeinde Ermreuth.1834/35 erreichte sie ihre höchste Einwohnerzahl von 43 Familien mit 299 Personen und war somit die größte und bedeutendste Gemeinde in einem Verbund von 13 jüdischen Landgemeinden in der Fränkischen Schweiz. Dazu gehörten Aufseß, Dormitz, Egloffstein, Hagenbach, Heiligenstadt, Kunreuth, Mittelehrenbach, Wiesenthau, Mittelweilersbach, Pretzfeld, Wannbach und Tüchersfeld. Neben der Synagoge unterhielt die jüdische Gemeinde auch mehrere kultische Einrichtungen im Ort, die zum (Über)Leben notwendig waren, darunter Mikwe, Schule und Friedhof.
Die Mikwe – das rituelle Tauchbad Die Mikwe dient der rituellen Reinigung von Frauen und Männern. Das Wasser einer Mikwe muss rein sein und sich durch Fließen ständig erneuern. Deshalb wurden Keller-Mikwen meist auf der Höhe des Grundwasserspiegels errichtet und waren sehr kalt. Die Mikwe im jüdischen Gemeindehaus Nr. 80 (heute Ermreuther Hauptstr. 57) stand allen Juden Ermreuths offen. Mittels ausgehöhlter Baumstämme wurde das benötigte Wasser hineingeleitet. Ein Heizkessel aus Messing beheizte Raum und Wasser. Heute existiert die Mikwe nicht mehr; das Haus befindet sich in Privatbesitz. Außer der öffentlichen Mikwe gab es auch mehrere Privat-Mikwen, vor allem in jüdischen Häusern, die direkt am fließenden Wasser, am Bach lagen.
Die jüdische Schule Bis 1803 waren jüdische Kinder in Franken vom öffentlichen Schulbesuch ausgeschlossen und mussten privat unterrichtet werden. Mit der Einglie- derung in das Königreich Bayern wurde der Schulbesuch für jüdische Kin- der obligatorisch. In Ermreuth wurde 1829 zunächst eine jüdische Reli- gionsschule gegründet. Am 1. August 1833 konnte zudem eine eigene Ele- mentarschule eingeweiht werden. Das Schulzimmer befand sich zunächst im israelitischen Gemeindehaus, anschließend im Haus der Familie Was- sermann am Marktplatz Nr. 58 (heute Nr. 7). 1862 zog die jüdische Schule in ein eigens dafür erworbenes Haus in der Ermreuther Hauptstraße Nr. 98 (heute Nr. 30) um, in dem sich auch die Lehrerwohnung befand. Neben Elementarfächern wurden die Kinder auch in Deutsch, Hebräisch und jüdischer Religion von einem jüdischen Lehrer unterrichtet. 1916 musste die Schule geschlossen werden, weil die meisten jüdischen Fami- lien bereits den Ort verlassen hatten und die erforderliche Kinderzahl stetig schrumpfte. Die verbliebenen wenigen Schulkinder wechselten deshalb in die christliche Dorfschule über, die sie bis 1938 besuchen durften.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann die jüdische Gemeinde zu schrumpfen: Die Verheißungen der Neuen Welt lockten einige Ermreuther Juden, die Auswanderung nach Nordamerika zu wagen. Mit der Aufhebung aller gesellschaftlichen und rechtlichen Beschränkungen durch das deutsche Reichsgesetz von 1871 wanderten viele Gemeindemitglieder in die Großstädte wie auch nach Nordamerika ab. Infolgedessen verlor die jüdische Gemeinde Ermreuth kontinuierlich Mitglieder und zählte 1915 nur noch 13 Familien, von denen fünf Männer in den Ersten Weltkrieg zogen. Schließlich war 1933 die für den Gottesdienst erforderliche Mindestzahl von zehn religiös mündigen Männern nicht mehr vorhanden. Nur noch mithilfe nicht-ansässiger Juden konnten Sabbat- und Festtagsgottesdienste gefeiert werden.
Die Niederlage im Ersten Weltkriegs schob man in Deutschland unter an- derem gerne auf die Juden. Hetzer und Propagandisten schürten in den 1920er-Jahren den Antisemitismus. Nachdem die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler an die Macht gekommen waren, organisierten sie am 1. April 1933 einen reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte. Die staat- lich forcierte Ausgrenzung der Juden wurde von lokalen Politikern und Parteiführern allerorten - wie auch in Ermreuth - bereitwillig aufgegriffen und vorangetrieben. Freundschaftliche Beziehungen zwischen Juden und ‚Ariern‘ standen seit 1933 im Visier der Nationalsozialisten. 1937 wurde der Judenfriedhof in Ermreuth geschändet. In der Pogromnacht 1938 stürmten und verwüsteten SA-Männer die Synagoge. Auch jüdische Häuser wurden nicht verschont. Sie wurden demoliert, geplündert und mussten später an nicht-jüdische Einheimische verkauft werden. Drei Personen gelang es 1939 gerade noch rechtzeitig nach Nordamerika auszuwandern. Die im Ort verbliebenen 15 Juden mussten noch im glei- chen Jahr nach Nürnberg umsiedeln, wo drei von ihnen starben und dort beigesetzt wurden. Die verbliebenen 12 Juden, darunter drei Kinder, wurden in die Vernichtungslager und Gettos von Auschwitz, Izbica, Riga und Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Seitdem leben keine Juden mehr in Ermreuth. Nur die Sachzeugnisse aus der Genisa, die Synagoge, der Friedhof, das sogenannte Schwarzhaupt- Haus und einige weitere erhalten gebliebene Wohnhäuser erinnern noch an die lange gemeinsame Geschichte von Juden und Christen in Ermreuth.
Synagoge Ermreuth (Mitte) mit Schwarzhaupthaus (links, nach Restaurierung)
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